Mit Witz gegen Stress – Besser kommunizieren im Klinikalltag
Stress in der Klinik? Mit einer positiven Einstellung lässt sich die Last besser tragen, meint der Anästhesist Dr. Christoph Krause, Gründer der Initiative Arzt mit Humor (AmH). In Seminaren können Medizinstudierende und Ärzte an ihrer Lockerheit arbeiten. Ziel ist eine humorvolle Kommunikation, die auch die Patienten entspannt.
Christoph Krause, man sagt Medizinern vor allem schwarzen Humor nach. Sind Witze über Krankheiten ein gutes Ventil im Klinikalltag?
Christoph Krause: Unter Kollegen kann das ein Ventil sein. Aber Vorsicht, wenn schwarzer Humor zur Regel wird, ist der Burnout vielleicht nicht mehr weit. Die Patienten sollten davon nichts mitbekommen. Wir haben im Krankenhaus oft den falschen Humor, nicht nur gegenüber Patienten, sondern auch im Team. Ein Klassiker: Wie heißt das grüne Tuch zwischen Chirurg und Anästhesist? – Blut-Hirn-Schranke! Diese Art von Humor grenzt ab und fördert nicht die Teamzusammenarbeit. Was wir wollen, ist gesunder Humor, der zusammenbringt und aufbaut, der nicht nur uns als Ärzte entspannt, sondern auch die Patienten.
Wie sind Sie dazu gekommen, Humor-Fortbildungen anzubieten?
Das Thema hat mich schon im Studium beschäftigt. An der Uni Leipzig hatten wir Unterricht am Krankenbett. Die Ärzte mussten die Lehre in ihrem normalen Berufsalltag unterbringen, da war viel Zeitdruck, fehlende Wertschätzung und Frust zu spüren. Man wurde als Student hin und her geschoben. Auch als Famulant und PJ-ler habe ich den Arztberuf auf eine Art erlebt, wie ich mir das nicht vorgestellt hatte. Freude an der Arbeit war die Ausnahme. Ich wusste, dass ich das System nicht ändern werde, aber dass ich meine Einstellung ändern kann. Ich habe unter anderem ein Seminar des Deutschen Instituts für Humor in Leipzig besucht. Dabei ging es um humorvolle Kommunikation, die das Arbeitsklima verbessert. Im Gespräch mit den Trainerinnen entstand die Idee, ein eigenes Konzept für Leute im Gesundheitswesen zu entwickeln.
Kann man Humor überhaupt trainieren?
Die Frage hören wir häufig. Wir sind der Überzeugung, dass alle Menschen Humor mitbringen. In den Seminaren lernen die Teilnehmer, ihren Humor als Technik einzusetzen. Wichtig ist, seine eigenen Humorvorlieben zu kennen. Ich glaube, viele von uns verlieren ihre humorvollen Fähigkeiten mit den Lebensjahren. Kleine Babys und Kinder können über die absurdesten Dinge lachen. Später wird das immer seltener. „Wer lacht, hat noch Ressourcen“, ist ein typisch deutscher Spruch. Den eigenen Humor wiederzubeleben, ist Training wie im Sport.
LOL gegen COPD
Dass Lachen Selbstheilungskräfte aktiviert, ist wissenschaftlich gut belegt. Eine Studie der Universität Basel ergab etwa, dass Patienten mit Chronisch Obstruktiver Lungenkrankheit (COPD) weniger unter Lungenüberblähung (Hyperinflation) leiden, nachdem sie eine Clowns-Show gesehen haben. Ein anderes Experiment an der Universität Zürich zeigte: Gesunde Menschen halten Schmerzen besser aus, während sie einen lustigen Film schauen.
Wie setzen Sie das in Ihren Kursen um?
Die Teilnehmer üben, flexibler und schneller im Kopf zu sein – damit ihnen die humorvolle Intervention im richtigen Moment über die Lippen geht. Dafür nutzen wir Elemente aus dem Improvisationstheater. Spontaneität ist das Stichwort. Hier bietet sich das Zwei-Wortspiel an. Zwei Personen antworten auf eine Frage als eine Person und müssen sich mit jedem Wort abwechseln: A) Ich B) habe A) gestern B) dieses A) schöne B) Pflaster A) im B) Kühlschrank A) … Je schneller man mit den Worten ist, je weniger man seinen „fertigen Satz“ im Kopf hören will, je flexibler man reagieren kann, desto besser klappt es.
Inwiefern helfen solche Techniken gegen Stress im Arbeitsalltag?
Zum einen kann man innerlich Kraft schöpfen. Der Humor schützt vor dem Verrücktwerden und Ausbrennen beim täglichen Arbeitsmarathon. Wenn es bei mir richtig mies läuft, rufe ich mir zum Beispiel Cartoons in Erinnerung, die mich zum Lachen bringen. Man könnte auch sagen, das ist mein Humor-Konto. An guten Tagen zahle ich ein, an schlechten hebe ich ab und lebe von meinem Ersparten. In unseren Seminaren geht es aber auch um die Kommunikationskultur im Team. Gute Laune gilt leider in vielen Häusern als verdächtig. In unseren Kursen lernen wir aber auch Chefs kennen, denen der Teamgeist wichtig ist und die den zwischenmenschlichen Umgang verbessern wollen.
Patientengespräch paradox
„Voll drin in der Mühle“ sei sie gewesen, als sie 2015 ein Seminar bei Arzt mit Humor besuchte. Die Kinder- und Jugendmedizinerin Sandra Niggemann (45) arbeitete zu der Zeit in einer neuropädiatrischen Klinik. „In hierarchischen Klinikstrukturen sind es viele Leute nicht gewohnt, locker miteinander umzugehen“, meint sie. Heute ist die Ärztin in einem Sozialpädiatrischen Zentrum in Rheinland-Pfalz tätig. Erlernte Humortechniken setzt sie gezielt ein, etwa um überängstliche Angehörige zu beruhigen. „Zu Klinikzeiten fragte mich die Mutter einer Patientin nach sehr ausführlicher Aufklärung, ob ich einen Eingriff schon einmal gemacht hätte“, erzählt Niggemann. Sie habe dann augenzwinkernd geantwortet: „Nein, aber sagen Sie es keinem.“ Was ihre sachliche Erklärung nicht bewirkt hatte, gelang der Ärztin mit dieser „paradoxen Intervention“, wie sie es nennt: Die Mutter erkannte, dass sie sich zu viele Sorgen machte. Auch ehrenamtlich will Sandra Niggemann Menschen zum Lachen bringen. Sie unterstützte Dr. Eckart von Hirschhausens Stiftung Humor hilft heilen und hat das Benefiz-Kabarett Lach mal was mit wünschdirwas ins Leben gerufen, das sie auch moderiert.
Und was ist das Ergebnis: Ärzte, die immer einen Gag auf Lager haben?
Nein, wir bilden ja keine Komiker aus. Unser Ziel ist erreicht, wenn die Teilnehmer die grundlegenden Arten von auf- und abwertendem Humor unterscheiden können. Wenn sie wissen, dass Humor auf eigene Kosten etwas von Größe hat, denn hier lege ich meine Schmerzgrenze selbst fest. Dagegen ist Humor auf Kosten von Patienten, Kollegen, Angehörigen prädestiniert für Missverständnisse. Das muss nicht sein. Selbstreflexion über die Art, wie man mit Kollegen und Patienten spricht, ist das Wichtigste. Das fängt bei banalen Dingen an. Dass ich mich zum Beispiel bei meinen Patienten mit Namen vorstelle, was leider nicht selbstverständlich ist. Dabei kann ich auch einen kleinen Spaß machen: ,Mensch, Frau Meier, Sie wollte ich schon immer mal kennenlernen!‘ Das ist kein Schenkelklopfer, führt aber zu einem Schmunzler und zur Entspannung.
Wenn Gesprächspartner damit nicht rechnen, kann das aber auch irritieren…
Da ist Feingefühl gefragt. Wenn dem Patienten ein warmes Lüftchen entweicht und man sich kennt, dann kann man schon mal sagen: ,Na, Herr Paschulke, wer so spricht, der lebt noch!‘ und dabei freundlich lächeln. Der Furz ist raus, das lässt sich nicht mehr ändern. Diese Situation zu entspannen ist die Kunst. Tabu sind Witze über die Krankheit des Patienten, solange er den Humor nicht selbst anbietet. Wenn eine humorvolle Intervention dann doch einmal daneben geht, sollte ich das nicht so stehen lassen, sondern mich entschuldigen.
Auf Ihrer Website schreiben Sie: „Das System können wir nicht ändern, aber unsere Einstellung zum System.“ Ist das nicht ein trauriges Argument für mehr Humor im Beruf?
Das ist vor allem ein trauriger Gesundheitszustand des Gesundheitssystems. Die knappen Personaluntergrenzen in Kliniken sind nun einmal Realität. Je höher die Arbeitskomprimierung, desto weniger psychische Ressourcen habe ich, um humorvoll zu sein. Aber wenn ich Humor als Technik hinterlegt habe, kann ich damit vieles kompensieren.
Punkte fürs Weiterbildungskonto
Arzt mit Humor ist ein Projekt des Deutschen Instituts für Humor in Leipzig, das bundesweit Fortbildungen für Unternehmen anbietet. Gegründet wurde es 2005 von der Sozialpädagogin Eva Ullmann, die abwechselnd mit der Schauspielerin Katrin Hansmeier die Humorseminare für Mediziner leitet. In Sachsen erhalten Teilnehmer der Kurse sogar Weiterbildungspunkte von der Ärztekammer. Dr. Christoph Krause ist Initiator des Projekts und unterstützt die Trainerinnen als ärztlicher Berater. Wenn seine Arbeit am Universitätsklinikum Leipzig es erlaubt, wirkt er auch selbst bei Veranstaltungen mit.