Ein Job für Pingelige
Das menschliche Auge ist zwar nicht sehr groß, dafür aber besonders faszinierend. Dr. Annett Schömann widmet schon ihr ganzes Berufsleben diesem besonderen Organ - und findet, dass eigentlich alle Medizinstudenten mal ein Praktikum in der Augenheilkunde machen sollten.
Frau Dr. Schömann, warum haben Sie sich für eine Ausbildung als Augenärztin entschieden?
Ich war familiär vorbelastet. Meine Mutter ist Augenärztin und führte eine eigene Praxis. Nach meiner Facharztausbildung bin ich 2003 dort mit eingestiegen, inzwischen leite ich die Praxis zusammen mit einer Kollegin. Vielfach glauben angehende Mediziner, dass die Augenheilkunde ein kleines Fach ist. Aber der Schein trügt. Die Augenheilkunde ist extrem vielseitig. Es gibt einen großen konservativen Bereich mit spannenden diagnostischen Möglichkeiten, aber auch zahlreiche operative Verfahren. Außerdem ist Augenheilkunde eine Fachrichtung, die sich wenig mit anderen überschneidet.
Wo haben Sie Ihre Facharztausbildung absolviert?
Ich war zunächst in einer kleinen Görlitzer Augenklinik tätig. Hier habe ich sehr viel gelernt, da ich als Assistenzärztin die Möglichkeit hatte, viele diagnostische Maßnahmen selbst durchzuführen, Therapien festzulegen und Krankheitsverläufe zu beobachten. Dafür hatte ich aber auch sehr viele Dienste. Operieren habe ich dann in eine Berliner Augenklinik gelernt. Ursprünglich hatte ich angenommen, dass es ein Teil der Facharztausbildung sei, aber dafür ist es zu zeitaufwendig. Das Operieren muss einem sehr genau gezeigt werden. Dr. Thomas Pahlitzsch ließ mich zunächst leichte Schritte bei der Behandlung von Grauem Star machen. Diesen Eingriff habe ich immer und immer wiederholt, bis es dann zu schweren Schritten überging. Operieren lernen kann man definitiv nur in Praxen, wo sehr viel operiert wird.
Für Durchblicker: Fachrichtung Augenheilkunde
Wer Facharzt für Augenheilkunde werden will, muss nach Erteilung der Approbation eine fünfjährige Ausbildung in einer Uniklinik oder augenärztlichen Praxis absolvieren. Fachärzte für Augenheilkunde haben ein vielseitiges Aufgabengebiet: Sie behandeln kindlisches Schielen genauso wie Glaukome, führen Laser-OPs gegen Kurzsichtigkeit durch oder Cataractoperationen, um trübe Linsen zu ersetzen. Laut Statistik der Bundesärztekammer waren 2016 exakt 7.388 Fachärzte für Augenheilkunde in Deutschland tätig. Rund 6.000 davon selbstständig oder angestellt in Praxen, etwa 1000 in Kliniken und Krankenhäusern.
Was ist die größte Herausforderung für Augenärzte?
Zu Anfang fand ich es sehr schwierig, dass ich bei den OPs meine Hände nicht sehen konnte. Das liegt daran, dass wir mit Mikroskopen arbeiten, durch die man tatsächlich nur die winzigen und spitzen Instrumente wie z.B. das Diamantmesser sieht und natürlich den Bereich, der operiert wird.
Das liegt nicht jedem...
Ja, ein Augenarzt muss schon pingelig und akribisch sein, weil das Auge sehr klein ist und man ganz gründlich untersuchen muss, um auch kleinste, relevante Veränderungen zu sehen. Und als Operateur muss er selbstverständlich eine sehr ruhige Hand haben. Grundsätzlich rate ich aber allen Medizinstudenten, ein Praktikum in der Augenheilkunde zu absolvieren. Dabei werden sie feststellen, wie außergewöhnlich das Auge ist. Unsere Fachrichtung ist sehr apparatelastig, ähnlich wie beim Radiologen. Die Gerätschaften sind sehr teuer. Wer sich eines Tages selbständig macht, benötigt daher hoch spezialisierte Mitarbeiter.
Wenn Sie sich nochmal entscheiden könnten, würden Sie wieder die gleiche Wahl treffen?
Absolut. Ich wollte immer operativ tätig sein, allerdings in einem Fach, das körperlich nicht so anstrengend ist wie beispielsweise die Unfallchirurgie. Wir führen heute ambulante Operationen des „Grauen Stares“, Lidoperationen und Intravitreale Injektionen durch. Dafür haben wir uns in einem Krankenhaus eingemietet. Mir bietet mein Beruf beides: den operativen und den konservativen Teil, also auch die Zeit, Sprechstunden abzuhalten und meine Patienten zu sehen und deren Behandlungsverläufe zu verfolgen. Das ist eine tolle Mischung. Auch die Tätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis ist für mich ideal: Ich kann mir meine Arbeitszeiten einteilen, was mir als Mutter sehr gelegen kommt. Die teure Technik schaffen wir zusammen an, und ein hierarchisches System gibt es bei uns auch nicht.
Gute Aussichten für den Nachwuchs
Die Berufsperspektiven sind vielversprechend: Mit dem demographischen Wandel wächst insbesondere die Zahl älterer Menschen, die augenärztliche Hilfe benötigen. Nachfrage nach Augenärzten wird aufgrund der demographischen Entwicklungen steigen, da viele Augenerkrankungen mit steigendem Alter deutlich häufiger auftreten. Zudem gehen etwa ein Viertel der derzeit berufstätigen Augenärzte innerhalb der nächsten zehn Jahre in Rente.
Mehr Infos: Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V.