Das richtige Antibiotikum
Olga Grudniak und Jakub Wysocki sind schon fast alte Hasen im Biotech-Business. Bereits seit Jahren arbeiten die Biotechnologin und der Marketing-Experte aus dem polnischen Danzig in Projekten an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zusammen. Sie horchten sofort auf, als einer ihrer Mentoren ihnen sein Leid klagte: Sein einjähriger Sohn hatte eine schwere Infektion, es dauerte unendlich lange, bis die Ärzte das richtige Antibiotikum fanden.
„Wir haben uns gleich gefragt, ob wir nicht etwas entwickeln können, das dieses Problem löst“, so Jakub. Zumal der kleine Sohn des Bekannten beileibe kein Einzelfall ist: Nur etwa die Hälfte der Kinder bekommt auf Anhieb ein passendes Antibiotikum verschrieben, bei den Erwachsenen sind es sogar weniger als 40 Prozent.
Die Folge: Unnötig lange Leidenszeiten oder sogar Todesfälle bei Patienten, immer mehr Antibiotikaresistenzen weltweit. „Man darf dafür aber nicht die Ärzte verantwortlich machen“, sagt Olga Grudniak. „Es gibt zwar Möglichkeiten, über individuelle Antibiogramme das jeweils geeignete Mittel zu finden. Aber das dauert im Moment sowohl in Deutschland als auch in Polen noch mindestens zwei Tage, die Ärzte sind dabei auf Speziallabore und Kliniken angewiesen.“
Ergebnis nach sechs Stunden
Um diese quälende Wartezeit zu verkürzen, haben Olga und Jakub zusammen mit zwei Mitstreitern das Startup Biolumo gegründet: Marcin Pitek ist der „lead scientist“ des jungen Unternehmens, Wojciech Gizowski verantwortet den technologischen Part, während Olga als CEO fungiert und Jakub das Marketing übernommen hat.
Biolumos Lösung: Ein handlicher Apparat mit kleinen Kartuschen, die mit Nährlösung und unterschiedlichen Antibiotika gefüllt sind. Das Praxispersonal hat nichts weiter zu erledigen, als die kleinen Behälter mit Proben vom Entzündungsherd zu versehen. Der Rest läuft vollautomatisch: Ein Sensor misst, wie die Bakterien auf das jeweilige Mittel reagieren und übermittelt die Daten an Biolumo, wo ein Algorithmus berechnet, was das am besten geeignete Mittel ist.
„Schon nach sechs Stunden bekommt der behandelnde Arzt per Mail das Ergebnis“, so Jakub, „ein Ranking der einsetzbaren Antibiotika.“ So kann die Behandlung schon am gleichen Tag beginnen – und die Entscheidung, welches Mittel zum Zuge kommt, bleibt weiterhin beim Arzt.
„Der Arzt wird nicht ersetzt, sondern in seiner Entscheidung unterstützt – genau deshalb glauben wir an das Potenzial derartiger Angebote.“
Jessica Hanneken, Expertin für Gesundheitsmärkte bei der apoBank
„Mit solchen Lösungen kommt die Digitalisierung des Gesundheitswesens in den Praxen an, bei denen, die tagtäglich mit Patienten arbeiten“, so Jessica Hanneken, die für die apoBank das Startupbootcamp (siehe Kasten) begleitet, an dem Biolumo teilgenommen hat. „Der Arzt wird nicht ersetzt, sondern in seiner Entscheidung unterstützt – genau deshalb glauben wir an das Potenzial derartiger Angebote.“
Rückenwind für Digital Health Startups
Seit 2016 ist die apoBank Partner beim Startupbootcamp, das ein Accelerator-Programm speziell zur Digitalisierung im Gesundheitsmarkt aufgelegt hat. Jedes Jahr werden zehn Gründerteams für ein dreimonatiges Intensivprogramm ausgewählt. Sie alle erhalten jeweils 15.000 Euro Startkapital und können Arbeitsräume in einem Berliner Coworking-Space nutzen. Zudem bekommen sie Zugang zu einem exklusiven Mentoren-Netzwerk, in dem sich auch erfahrene Experten der apoBank engagieren. Im Fokus des Programms stehen unter anderem Lösungen rund um Big Data, softwaregestützte Therapien und personalisierte Medizin.
Geld für die klinische Verprobung
Nach einer Phase des Bootstrapping, wie im Startup-Jargon die Finanzierung aus Eigenmitteln heißt, hat Biolumo inzwischen weitere Geldgeber für die klinische Verprobung gefunden. In Polen gibt es bereits einige Kooperationspartner, unter anderem sind Medizintechnik-Unternehmen und ein privater Healthcare-Anbieter mit an Bord. Kürzlich hat sich der Chef einer Klinikkette danach erkundigt, ob man die Lösung nicht auch in Krankenhäusern verwenden könnte. Die Pharma-Industrie zeigt sich ebenfalls interessiert und will das Know-how der Biolumo-Gründer nutzen, um zum Beispiel noch effektivere Antibiotika zu entwickeln.
Trotzdem, für das Gründerteam steht jetzt erst einmal der niedergelassene Arzt im Fokus: „Wir haben mit vielen Praxis-Inhabern gesprochen“, sagt Olga. „Alle waren extrem interessiert an unserer Lösung. Wenn wir ihnen eine schnelle, einfache Test-Option bieten, können wir viel dazu beitragen, dass der Medizin nicht die Waffen ausgehen im Kampf gegen gefährliche Keime.“
Kompetenzzentrum apoHealth
Wie verändern neue digitale Lösungen den Gesundheitsmarkt? Wer braucht was - und wie können vor allem Ärzte und Apotheker von innovativen Ideen profitieren? Die apoBank hat dazu ein eigenes Digital-Health-Kompetenzzentrum ins Leben gerufen: apoHealth bündelt die gesamte Expertise der apoBank zu Themen, Fragestellungen und Ideen rund um das Thema Digital Health. Hier entstehen gerade Services, die Heilberuflern mehr Orientierung und Unterstützung bei der Digitalisierung in ihrem Arbeitsalltag bieten sollen.