„Dass das so groß wird, hätten wir nie gedacht“
Ein Lernportal für angehende (Zahn-)Mediziner, Ergo- und Logotherapeuten, das komplett auf Erklärvideos setzt: Das ist clipdocs.de aus Magdeburg. Co-Gründerin Carmen Cortes berichtet, wie ihr Team funktioniert – und wie man das Videoschneiden mit Studien- und Medizineralltag unter einen Hut bekommt.
Carmen, wie ging es los mit den Clipdocs?
Naja, wir waren damals vorm Physikum ständig am Lernen, wie man das so kennt im Medizinstudium. Wir hatten trotzdem das Gefühl, dass vierzehn Tage später alles wieder vergessen ist. Mit Videos, dachten wir uns, bleiben komplexe Zusammenhänge einfach besser hängen. Ich habe mehrere Mediengestalter in der Familie, da lag es nahe, uns mit ihrer Hilfe die nötigen Skills etwa zu Schnittprogrammen selbst beizubringen. Anfangs lief das alles ganz zwanglos nebenher, learning by doing. Inzwischen haben wir aber schon feste Strukturen aufgebaut.
Wie sieht euer Team aus – lauter Ärzte auf Erklär-Mission?
Nein, nicht nur. Wir Gründer sind alle gerade in der Weiterbildung mit festen Klinik- beziehungsweise Labor-Jobs, außerdem gehört eine Fachärztin mit zum Team, ein Rettungssanitäter, Ergotherapeuten und Logopäden. Wir sind alle als Dozenten in Schulungszentren aktiv, insofern haben wir inzwischen viel Erfahrung darin, komplizierte Medizin-Materie anschaulich zu erklären.
IT- und Medien-Profis haben wir auch an Bord – und zum Glück noch einen Maschinenbauer. Der ist bei den Physik- und Mathe-Lerninhalten oft besser im Stoff als wir. Außerdem sind noch einige Medizin- und Zahnmedizin-Studis dabei. Das ist schon deshalb gut, weil gerade sie oft viel versierter in den Tools und Programmen sind.
Ihr seid eine ziemlich gemischte Gruppe, gibt das nicht manchmal Stress?
Ich sehe die Mischung eher als Stärke. In den Gesundheitsberufen muss man ja sowieso interdisziplinär zusammenarbeiten, das kann man also gar nicht früh genug üben. Klar diskutieren wir in der Sache – aber das ist doch gesund. Gerade, dass wir auch Ergo- und Logotherapeuten im Team haben, finde ich gut: Da ist der Bedarf an verständlichen Lernmaterialien besonders hoch, die gibt es an deren Fachschulen häufig kaum.
Und wie läuft die Arbeit praktisch ab? Inzwischen habt Ihr ja hunderte Clips im Web…
Weil wir alle in Deutschland verstreut leben und arbeiten, organisieren wir uns über einen gemeinsamen Kalender. Da trägt einfach jeder ein, zu welchem Thema er oder sie einen Clip machen will – und dann plant das Kernteam die nächsten Schritte. Wer noch nicht so fit ist im Videoschneiden, bekommt natürlich Support. Erfahrungsgemäß ist es nämlich tatsächlich besser, wenn die Dozenten selbst die Clips drehen anstatt alles mühsam einem Video-Crack zu erklären.
Habt Ihr den Überblick, wer clipdocs am meisten nutzt? Und was sind die Beststeller unter euren Videos?
Eine große Nutzer-Gruppe sind logischerweise Leute, die gerade im Physikum stecken. An den Kommentaren auf YouTube merken wir aber, dass auch Pflegekräfte, Heilpraktiker und erfahrene Ärzte unsere Videos anschauen. Manchmal entdeckt die Community kleine Fehler, oft kommen Ideen für weitere Clips – das Feedback bringt uns jedenfalls echt weiter. Komischerweise haben wir übrigens in Nordrhein-Westfalen besonders viele Nutzer, keine Ahnung, woran das liegt. Und was die Bestseller angeht: Die meisten Aufrufe haben die Videos zu besonders komplizierten Themen, Neuro-Anatomie, Neurologie oder Biochemie sind da die Renner.
Ihr seid mittlerweile eine Unternehmergesellschaft, müsst Abos verwalten und Zahlungseingänge checken – wie habt Ihr Euch bei solchen ökonomischen Fragen aufgestellt?
Top war natürlich, dass wir von Anfang an schwarze Zahlen geschrieben haben – das hat vieles erleichtert, wir mussten keine teuren Kredite aufnehmen. Dass ich schon vorher als Dozentin selbstständig war, hat auch einiges erleichtert. Zu den wichtigen Gründer-Themen haben wir uns von Profis beraten lassen, da hatten wir gute Unternehmensberater und Juristen, um nicht in irgendwelche Fallen zu tappen. Die Buchhaltung läuft bislang komplett über ein Steuerbüro. Noch ist das gesamte Team ja nebenberuflich im Einsatz, da funktioniert das problemlos. Aber wir wollen demnächst feste Stellen schaffen, also wird sich das womöglich noch ändern.
Was habt Ihr denn insgesamt noch vor mit den clipdocs, welche Fachgebiete sollen noch dazukommen?
Auf alle Fälle wollen wir den Rettungsbereich noch ausbauen. Das wird ziemlich komplex, weil sich in der Notfallmedizin vieles schnell ändert. Die Ergotherapie muss vervollständigt werden – und Physiotherapie wollen wir auch noch anbieten. Anfangs hätten wir echt nicht gedacht, dass Clipdocs mal so groß wird. Auf tausend Videos zu kommen, das wäre jetzt unser nächstes Ziel. Aber wir stressen uns nicht, die Qualität muss einfach stimmen. Bislang haben wir quasi null Marketing gemacht, das wollen wir jetzt auch mal anpacken. Und wenn das Geld dafür reicht, noch mehr kompetente Dozenten ins Team aufnehmen: sie sind es ja, die clipdocs stark machen.
clipdocs – Medizin besser verstehen
Als sie clipdocs 2016 gründeten, steckten Jacob Adler, Carmen Cortes und Daniel Pohl noch im Studium. Heute stemmen die drei die Plattform parallel zu ihren Hauptjobs als Ärzte in Weiterbildung. Hauptquartier des inzwischen auf 15 Leute angewachsenen Teams ist nach wie vor Magdeburg, wo die Mannschaft sich außerhalb von Pandemie-Zeiten auch gerne zum Grillen trifft. Wer sich auf dem Portal registriert, hat ein Jahr lang für knapp 40 Euro Zugriff auf sämtliche Filme und Skripte.