Hausarzt - Allrounder mit Geduld und Gespür
Die Anzahl der Allgemeinmediziner geht u.a. aufgrund vieler Vorurteile in Deutschland immer weiter zurück. Julia Friedel kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Die 28-Jährige will Landärztin werden. Was sie so an dieser Fachrichtung fasziniert, erfährst du im nachfolgenden Interview. Weitere Infos zur Allgemeinmedizin findest du in unserem Steckbrief.
Julia, warum hast du dich für die Allgemeinmedizin entschieden?
Schon während des Studiums fühlte ich mich unbehaglich dabei, mich auf ein Spezialgebiet wie Herz- oder Bauchkrankheiten festlegen zu müssen. Bei der Allgemeinmedizin wird der ganze Körper betrachtet und dazu noch der Mensch selber und sein Umfeld. Das finde ich sehr spannend und hilfreich, um Symptome besser einschätzen zu können. Darüber hinaus erhält man einen tiefen Einblick in das Leben eines Patienten, den man langzeitbetreut.
Deine Weiterbildung erstreckt sich insgesamt über fünf Jahre. Welche Pläne hast du im Anschluss daran?
Ich möchte Landärztin werden. Ich habe in Erlangen studiert und viel in der Stadt gearbeitet, bevor ich ins bayerische Kirchberg im Wald gezogen bin. Hier sind die Menschen sehr offen. Sie freuen sich, wenn sie mich sehen, und mir gefallen das ländliche Wohnen und die wunderschöne Natur sehr gut. Ich wandere gerne, fahre Rad, reite und habe hier jede Menge Platz und frische Luft.
Was waren die größten Herausforderungen während deines Studiums?
Man benötigt einen sehr langen Atem, auch finanziell, um das lange Studium durchzustehen. Aber wenn man das Physikum erst einmal geschafft hat, wird es leichter.
Haben sich die Erwartungen, die du an die Allgemeinmedizin als Studentin hattest, erfüllt?
Auf dem Land gehen die Patienten zuerst zum Allgemeinarzt, der sie eventuell zu einem Spezialisten überweist. Um die richtige Diagnose zu stellen und dann die Wahl für einen Spezialisten zu treffen, muss man über sehr viel medizinisches Wissen verfügen. Der Anspruch an einen selber liegt also sehr hoch. Das spornt mich an und motiviert mich. Als einen großen Vorteil sehe ich, dass ich mein erstes Weiterbildungsjahr in der gleichen Praxis absolviert habe wie mein PJ. Das heißt, ich kannte die Patienten bereits und hatte keine Angst, etwas falsch zu machen. Das hat man nämlich sonst oft nach dem Studium. Von daher kann ich mit Überzeugung sagen, dass sich meine Erwartungen voll erfüllt haben.
Und woher wusstest du, dass es dir im Bayerischen Wald gut gefällt?
Während meines praktischen Jahres habe ich hier gearbeitet und mir die Region genau angeschaut. Ich habe festgestellt, dass ich hier gut leben kann.
Gab es in deiner Laufbahn ein besonders einschneidendes Erlebnis?
Während des Studiums hatte ich hauptsächlich Kontakt mit überforderten Klinikärzten, die immer nur über ihren Job geklagt haben. Wenn man sich das sechs Jahre lang anhört, ist das nicht gerade motivierend. Durch den regelmäßigen Kontakt zu meinem Hausarzt habe ich erkannt, wie viel Spaß er an seinem Beruf hat, und was er alles daraus macht. Das wiederum fand ich so toll, dass ich mir dachte, an diesem Job muss etwas dran sein. Den kann ich mit Freude bis zu meinem Rentenalter und darüber hinaus ausüben.
Was zeichnet einen guten Allgemeinmediziner aus?
Neben einem fundierten medizinischen Wissen sollte er über Empathie verfügen, Spaß an Kommunikation haben und aufmerksam zuhören können. Ein Allgemeinarzt muss Interesse am Menschen haben und an dessen Bedürfnissen. Viele Patienten nutzen ein Symptom wie eine Eintrittskarte in die Praxis. Dabei steckt vielfach etwas ganz anderes dahinter. Um die wahren Gründe herauszufiltern, braucht man Geduld und Gespür. Man muss aber auch seine eigenen Unsicherheiten aushalten können, da die Krankheitsbilder nicht sofort einzuordnen sind und sich erst langsam herauskristallisieren. Für einen Berufsanfänger ist das zu Anfang unangenehm, weil er glaubt, etwas übersehen zu haben.
Hinzu kommt, dass man sich gut im Gesundheitswesen auskennen muss, z.B. was es für Angebote bei Berufsunfähigkeit gibt oder was man abrechnen kann. Das lernt man nicht im Studium. Hier helfen ein guter Weiterbilder und das Praxisteam.
Welche Tipps gibst du Studierenden mit auf den Weg, die sich für Allgemeinmedizin interessieren?
Nutzt alle Chancen, die euch die Famulatur oder das Blockpraktikum bieten. Und falls an eurer Uni ein Lehrstuhl ist, geht einfach mal hin und fragt nach, welche Praxis sie euch z.B. empfehlen können und welche Angebote es an eurer Uni noch gibt. Das hilft einem wirklich weiter.
Letzte Frage: Woher kommen die Vorurteile gegen Allgemeinmediziner?
Die Arbeit der Allgemeinmediziner wird von vielen Kollegen abgewertet. Das bekommt man schon im Studium mit. Und wenn man dann kein positives Rollenvorbild hat, kommen viele Studierende nicht auf die Idee, sich für diese Fachrichtung zu interessieren. Dabei steht die ambulante Versorgung in unserem Gesundheitswesen im Vordergrund. Die hoch spezialisierte Medizin spielt da eine viel geringere Rolle. Doch in der sechsjährigen Studienzeit liegt der Fokus immer nur auf der hoch spezialisierten Medizin einer Uniklinik.
Steckbrief Allgemeinmedizin
Weiterbildungszeit
Die Weiterbildung in der Allgemeinmedizin dauert fünf Jahre.
Berufsaussichten
Die KBV hat mit einer Modellrechnung ermittelt, dass die Nachfrage nach ärztlicher Versorgung bis zum Jahr 2030 moderat ansteigen, das ärztliche Angebot jedoch sinken wird. Besonders betroffen ist dabei die Gruppe der Hausärzte und der sogenannten fachärztlichen Grundversorger.
Bereits jetzt zeichnet sich der Rückgang der Allgemeinmediziner ab. Denn 2016 gab es nur noch rund 43.000 praktizierende Hausärzte.
Weitere Informationen
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Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Sie bietet eine Summerschool und eine Nachwuchsakademie
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Junge Allgemeinmedizin Deutschland (JADE). Hier können sich auch Studierende anmelden