Ein Insta für Ärzte
Gonzalo Moras Handy blinkt. Per Messenger hat ein Kollege eine Bildnachricht geschickt: Sie zeigt Röntgenaufnahmen eines Patienten nach einer komplizierten Knie-OP. Über den Fall hatten die beiden Orthopäden kürzlich gesprochen. „Gut zu wissen“, denkt Mora. Aus solchen Bildern kann man viel lernen. Trotzdem ist ihm nicht wohl bei der Sache. Denn auch in der digitalen Welt müssen sich Ärzte an die Schweigepflicht halten und dürfen keine Patienteninformationen herausgeben. So eine Handy-Nachricht könnte versehentlich weitergleitet oder von Dritten gelesen werden. Das bringt den Orthopädie-Chirurgen aus Pamplona auf eine Idee: Wie wäre es, ein soziales Medium speziell für Mediziner zu entwickeln – eine Art Instagram für Ärzte?
Es ist das Jahr 2013, als Mora diesen Geistesblitz hat. Und er geht das Wagnis ein: Er gründet eine Firma und gewinnt zwei Software-Entwickler als Partner. Die folgenden Jahre sind ein Abenteuer für die Spezialisten, die bislang mit Geschäften wenig am Hut hatten. „Es war eine riesige Anstrengung, die Firma zu starten”, erzählt Mora. „Wir mussten uns das nötigste betriebswirtschaftliche Wissen schnell selbst aneignen. Berater und erfahrene Unternehmer haben uns dabei geholfen.” Inzwischen hat sich Mora aus dem Business zurückgezogen, um sich wieder auf den Arztberuf zu konzentrieren. Zusammen mit seinem Kollegen Gabriel Pizá ist er jedoch weiterhin als medizinischer Berater von InsightMedi tätig.
Moderatoren sichten jedes Posting
Um Marketing, Kundenberatung und Finanzen kümmern sich ihre Mitstreiter. Als Geschäftsführer reist der IT-Entwickler Juan Gónzalez um die Welt, um das Produkt bekannter zu machen. Aktuell nutzen rund 23.000 Mitglieder die sowohl für iOS als auch für Android frei verfügbare App – neben Profis aus der Gesundheitsbranche auch viele Studenten. Jedes Mitglied kann medizinische Bilder posten und Beiträge anderer Nutzer aus mehr als 80 Ländern ansehen. Im Unterschied zu Jedermann-Plattformen wie Instagram stellt die App klare Vertraulichkeitsregeln auf, an denen kein Nutzer vorbeikommt. Mitglieder müssen alle Aufnahmen und Texte anonymisieren, bevor diese erscheinen können. Damit kein Name oder sonstige Daten durchrutschen, geht jedes Posting zunächst an einen Moderator. Der sichtet den Beitrag, gibt grünes Licht oder Korrekturhinweise an den Absender.
Neben der kostenlosen App bietet InsightMedi seit rund einem Jahr auch eine Spezialversion für Kliniken und medizinische Hochschulen an. Das Unternehmen schneidet das Tool auf den Bedarf des einzelnen Kunden zu. So ist es zum Beispiel möglich, nur die medizinischen Fächer zu berücksichtigen, die an der jeweiligen Klinik tatsächlich vertreten sind. Auch das Design und die Menü-Sprache lassen sich anpassen.
Wertvoll für die Community
Aus einer guten Produktidee ein langfristig tragfähiges Geschäftsmodell zu machen, ist für jedes Startup eine Herausforderung. Das gilt auch für InsightMedi. Es gibt Wettbewerber wie die App Figure 1, die sich über Werbung finanzieren. InsightMedi will sich dagegen unabhängig von Inserenten machen und setzt auf zahlende Großkunden. Die Gründer wollen mit Service punkten – und mit einem Datenschutz auf aktuellstem Stand. Für Anwender in Europa ist das ein wichtiges Argument, zumal die neue Datenschutzgrundverordnung der EU den Firmen und Organisationen zusätzliche Pflichten auferlegt.
„InsightMedi ist ein schönes Beispiel dafür, wie digitale Lösungen aus dem Markt selbst entstehen und anwenderorientiert und konsequent den Nutzer in den Vordergrund stellen.“
Jessica Hanneken, Expertin für Gesundheitsmärkte bei der apoBank.
Um Klienten in Deutschland zu gewinnen, wollen sich die Gründer in der hiesigen Gesundheitsbranche stärker vernetzen. Einige Türen hat ihnen die apoBank geöffnet: Beim Berliner Startupbootcamp 2017 (siehe Kasten) tauschte sich InsightMedi beispielsweise mit Vertretern der Bundeszahnärztekammer und weiteren Standesorganisationen aus. Dabei ging es vor allem darum, spezielle Anwenderwünsche kennenzulernen und das Produkt weiterzuentwickeln. Unter anderem soll es bald zusätzliche Dialogfunktionen geben. „InsightMedi ist ein schönes Beispiel dafür, wie digitale Lösungen aus dem Markt selbst entstehen und anwenderorientiert und konsequent den Nutzer in den Vordergrund stellen“, sagt Jessica Hanneken, Expertin für Gesundheitsmärkte bei der apoBank.
Rückenwind für Digital Health Startups
Seit 2016 ist die apoBank Partner beim Startupbootcamp, das ein Accelerator-Programm speziell zur Digitalisierung im Gesundheitsmarkt aufgelegt hat. Jedes Jahr werden zehn Gründerteams für ein dreimonatiges Intensivprogramm ausgewählt. Sie alle erhalten jeweils 15.000 Euro Startkapital und können Arbeitsräume in einem Berliner Coworking-Space nutzen. Zudem bekommen sie Zugang zu einem exklusiven Mentoren-Netzwerk, in dem sich auch erfahrene Experten der apoBank engagieren. Im Fokus des Programms stehen unter anderem Lösungen rund um Big Data, softwaregestützte Therapien und personalisierte Medizin.
Sie steht den Gründern beim Startupbootcamp als Mentorin zur Seite. Im Vergleich zu den USA und anderen Ländern sieht sie in Deutschland noch deutlichen Nachholbedarf: „Es gibt hier nicht dieses Ökosystem wie im Silicon Valley, wo schnell Geld und Knowhow mobilisiert werden, um Ideen groß zu machen. Wir wollen dazu beitragen, dass sich das ändert, und jungen Startups im Bereich Digital Health den Weg ebnen.“
Kompetenzzentrum apoHealth
Wie verändern neue digitale Lösungen den Gesundheitsmarkt? Wer braucht was - und wie können vor allem Ärzte und Apotheker von innovativen Ideen profitieren? Die apoBank hat dazu ein eigenes Digital-Health-Kompetenzzentrum ins Leben gerufen: apoHealth bündelt die gesamte Expertise der apoBank zu Themen, Fragestellungen und Ideen rund um das Thema Digital Health. Hier entstehen gerade Services, die Heilberuflern mehr Orientierung und Unterstützung bei der Digitalisierung in ihrem Arbeitsalltag bieten sollen.