"Die Ungewissheit war kräftezehrend"
4600 Medizinstudierende hatten den Termin seit Monaten dick im Kalender markiert: Vom 15. bis 17. April sollten sie eigentlich den zweiten Teil der ärztlichen Prüfung (M2) ablegen. Dann kam Corona und damit ein großes Fragezeichen: Wie sollen die Länder mit den Examen umgehen? In den Herbst verschieben, ausfallen lassen, mit dem dritten Staatsexamen zusammenlegen?
Gesundheitsminister Jens Spahn hat inzwischen eine Verordnung zur Abweichung von der Approbationsordnung für Ärzte erlassen: Das M2 wird bundesweit verschoben, die Länder dürfen aber selbst entscheiden, ob sie die Prüfungen nicht doch wie ursprünglich geplant durchführen. Till Braun hatte schon monatelang gebüffelt, als die Verordnung kam. Hier erzählt der Examens-Kandidat aus Köln, was das Hin und Her der vergangenen Wochen für ihn bedeutet.
Till, wann war dir klar, dass es wegen Corona Probleme mit dem M2 geben könnte?
Spätestens, als ich im März im Ärzteblatt las, dass IMPP und Medizinischer Fakultätentag den Ländern zu einer Verschiebung der Prüfung auf 2021 geraten haben. Da waren wir alle erst einmal schockiert. Wer jetzt fürs M2 angemeldet ist, der lernt seit November. Ohne Prüfung gleich ins PJ einsteigen, mitten in der Corona-Krise noch nebenher lernen müssen, um im kommenden Jahr dann irgendwie ein wieder eingeführtes Hammerexamen mit kombiniertem M2 und M3 zu bestehen: Das ist aus meiner Sicht Wahnsinn. Die BVMD hat das ja auch sehr deutlich kommuniziert, trotzdem steht genau dieses Modell für viele mit der Spahn-Verordnung jetzt im Raum.
Für dich gibt es jetzt immerhin Klarheit …
Ja, Nordrhein-Westfalen hat entschieden, dass das M2 nun doch wie geplant im April stattfinden soll. Baden-Württemberg will dagegen verschieben, andere Bundesländer lassen den Studierenden die Wahl, ob sie die Prüfung jetzt oder im kommenden Jahr ablegen. Das halte ich aus Studierenden-Sicht für die beste Lösung, aber für die Planung der Kliniken ist es sicher schwierig. Weil alles so unübersichtlich war, hatte ich Ende März mal für eine Woche das Lernen eingestellt. Als Nordrhein-Westfalen zum ursprünglichen Termin zurückgekehrt ist, habe ich wieder angefangen. Die lange Ungewissheit war schon kräftezehrend. Ich bin jetzt einfach froh, wenn das Thema am 17. April erledigt ist.
Was hörst du von deinen Kommilitonen, wie gehen die mit der Situation um?
Einige hatten sich von der Prüfung schon abgemeldet, weil sie zum Beispiel im Moment keine Betreuung für ihre Kinder haben. Die meisten sind aber erleichtert, dass die Lernerei doch nicht umsonst war. Viele müssen allerdings wegen Corona jetzt ihre Pläne fürs PJ über den Haufen werfen. Ich kenne Leute, die jede Menge Arbeit in Sprachtests investiert haben, um im Praktischen Jahr zum Beispiel nach England zu gehen. Das funktioniert jetzt in Reiseverbots-Zeiten natürlich nicht mehr. Im Moment herrscht viel Chaos, weil viele schon Wohnungen gekündigt hatten oder nicht wissen, wie sie jetzt wieder aus Mietverträgen irgendwo im Ausland herauskommen.
Wie lernt es sich da überhaupt noch, wenn um einen herum der Ausnahmezustand herrscht?
Tja, ich kapsle mich eben ab, arbeite AMBOSS durch. Abends lenke ich mich bei virtuellen Pokerrunden mit Freunden ab. Wie alle anderen vermeide ich natürlich soziale Kontakte. Zumal meine größte Angst war, dass ich mich anstecke und dann unter Quarantäne gestellt werde. Zwei Wochen zuhause bleiben passt ganz schlecht, wenn man in ein paar Tagen zur Prüfung erscheinen soll.
Wie genau wird das M2 jetzt eigentlich ablaufen, was hat sich wegen Corona verändert?
Am Ende gar nicht viel, die Aufgaben stehen ja längst fest. Ich muss für die Prüfung nach Troisdorf fahren, wie geplant. Damit der Mindestabstand zwischen den Prüflingen eingehalten wird, müssen dort wahrscheinlich weitere Räume angemietet werden. Das war es aber auch an Änderungen. Wenn alles läuft wie geplant, beginne ich dann Mitte Mai mein Praktisches Jahr. Erst bin ich in der Kinderklinik, dann in der Hämato-Onkologie am Uniklinikum, später dann hoffentlich in der Chirurgie an einem anderen Lehrkrankenhaus in Köln.
Wobei im Moment ja niemand weiß, wie so ein Praktisches Jahr mitten in einer Pandemie ablaufen wird...
Stimmt. Immerhin sollen die Unikliniken jetzt selbst je nach Situation vor Ort entscheiden dürfen, wo PJ-ler eingesetzt werden. Jeder hofft natürlich, dass er sein Wahltertial dann auch machen darf. Bei uns in Köln ist die Bereitschaft, jetzt in der Krise mitzuhelfen, aber ohnehin riesengroß: Fachschaft und Dekanat haben einen guten Draht zueinander, unsere Meinung wird da wirklich gehört. Dass die Politik mit Zwangs-Verpflichtungen von Studierenden droht, finde ich komplett unnötig.
Ausgerechnet jetzt ins PJ zu starten – ist das nicht ein komisches Gefühl?
Nein, im Moment werden wir ja mehr denn je gebraucht. Aber was mich schon ärgert: Nicht mal jetzt wird die minimale Vergütung erhöht, die man fürs PJ bekommt. Hier in Köln sind es gerade mal 400 Euro, anderswo noch weniger. Es ist völlig klar, dass in der momentanen Situation noch viel weniger Lehre als sonst stattfinden wird. Also gibt es erst recht keine Rechtfertigung mehr dafür, uns so wenig zu bezahlen. Da fühlt man sich schon wie eine billige Arbeitskraft. Trotzdem bin ich gespannt auf die nächsten Monate: Das wird eine besondere Herausforderung, da bin ich sicher.