Projekt Wissenshunger: Medizinstudenten zeigen Schülern, wie richtige Ernährung geht

Foto: privat
  • Studium & Lernen
  • 27.05.2019

Zu gesunder Ernährung gibt es massenhaft Ratgeber. Trotzdem kommt die Botschaft bei vielen Familien nicht an: Etwa 15 Prozent der Kinder in Deutschland haben Übergewicht. Medizinstudierende vom Projekt „Wissenshunger“ vermitteln Schülern, was der Körper wirklich braucht. Ihre Erfahrung: Die Kinder hören eher auf die jungen Studis als auf ihre Lehrer.

Manche Menschen ernähren sich paleo, also wie unsere Vorfahren in der Steinzeit. Andere leben vegan. Wieder andere schwören auf sogenannte Superfoods. Selbst Ernährungsbewusste können sich kaum darauf einigen, was gesundes Essen ist. Das Thema scheint kompliziert, was dazu führt, dass sich gerade Menschen mit geringerer formaler Bildung damit schwertun. Laut der aktuellen KiGGS-Studie des Robert-Koch-Instituts sind Kinder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus deutlich häufiger zu dick als Altersgenossen, deren Eltern eine höhere Bildung haben und mehr verdienen. Rund sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen drei und 17 Jahren gelten sogar als adipös. Sie haben zugleich ein höheres Risiko, an Diabetes Typ 2 zu erkranken.

Felix Teufel studiert Humanmedizin in Heidelberg und beschäftigt sich intensiv mit gesellschaftlichen Gesundheitsfragen. „Viele Volkskrankheiten wie Diabetes oder koronare Herzkrankheit hängen mit dem Lebensstil zusammen, also mit Gewohnheiten, die man als Erwachsener nur noch schwer ablegen kann. Daher muss man möglichst früh präventiv ansetzen“, sagt der 23-Jährige, der zurzeit am Heidelberger Institut für Global Health seine Doktorarbeit zu kindlicher Fehlernährung und Diabetes schreibt. Vor zweieinhalb Jahren hat Felix mit seinem Kommilitonen Philipp Portz das Projekt Wissenshunger gegründet: „Wir verfolgen den sogenannten Peer-Education-Ansatz: Als Studenten können wir eher auf Augenhöhe mit Kindern und Jugendlichen über Ernährung reden, als das zum Beispiel Lehrern möglich ist.“

Kochen mit Cola

Die Studierenden bieten halbtägige Workshops für Schüler der 5. bis 7. Klasse an. Sie richten sich hauptsächlich an Haupt- und Realschulen. „An Gymnasien haben die meisten Kinder höher gebildete, ernährungsbewusste Eltern. Sie bekommen zu Hause vieles von allein mit“, erklärt Felix. „Die Haupt- und Realschüler, die wir kennengelernt haben, sind sehr interessiert. Im Alltag, etwa in den sozialen Medien, kommen sie mit diversen Trends und Diäten in Berührung, können diese Infos aber oft nicht gut einordnen. Sie sind dankbar, von uns einen strukturierten Überblick zu bekommen.“ Die Studierenden haben ihr Ernährungswissen leicht verdaulich aufbereitet. Es geht los mit einfacher Theorie, basierend auf Standardliteratur: Woraus bestehen Lebensmittel? Wofür braucht der Körper Nährstoffe? In einem praktischen Teil experimentieren die Schüler mit Lebensmitteln – sie kochen Beispiel Cola so lange ein, bis nur noch klebriger Sirup übrig bleibt. Zum Schluss bereiten alle gemeinsam ein gesundes Frühstück zu.
 

Probekochen vor dem ersten Schulbesuch: Jonathan Chen, Paula Braun, Jannis Winterstein und Zoe Holz vom Wissenshunger-Team in Heidelberg.

Probekochen vor dem ersten Auftritt an einer Schule im Jahr 2018: Jonathan Chen, Paula Braun, Jannis Winterstein und Zoe Holz (v.l.n.r.) vom Wissenshunger-Team in Heidelberg.
Foto: privat

 

„Wir wissen, dass wir nur Denkanstöße geben können. Wenn Kinder bei unserem Frühstück neue Lebensmittel ausprobieren, wünschen sie sich die vielleicht auch zu Hause“, sagt Felix. In Zukunft wollen die Studierenden bei Elternabenden auch die Mütter und Väter ansprechen und Tipps geben, wie man gesundes Essen im Alltag auf den Tisch bringen kann.
 

Wissenshunger an sieben Hochschulen

Nach den ersten erfolgreichen Schulbesuchen in Heidelberg hat die Initiative ihren Aktionsradius erweitert: Seit 2018 ist Wissenshunger ein bundesweites bvmd-Projekt mit weiteren Lokalgruppen in Bonn, Freiburg, Gießen, Göttingen, Mannheim und Tübingen. Aktuelles aus dem Projekt findest auf der Facebook-Seite von Wissenshunger.
 

Mehr Prävention im Curriculum

Was Kommilitonen in der Heidelberger Mensa serviert bekommen, hat sich die Gruppe ebenfalls angesehen und sich mit dem Betreiber dazu ausgetauscht. Auf die studentische Initiative hin werden bald Wasserspender aufgebaut, um eine kostenlose, gesunde Alternative zu Softdrinks anzubieten. Und wie sieht es mit dem Ernährungswissen der Humanmediziner aus? Im Curriculum sollten Prävention und Ernährung mehr Raum bekommen, findet das Projektteam. Damit sind Felix und seine Mitstreiter auf einer Linie mit der Bundesvertretung der Medizinstudierenden (bvmd), die zurzeit am neuen Gegenstandskatalog mitwirkt, also an der Grundlage für die Lehr- und Prüfungsinhalte. Bis das alles konkretere Formen annimmt, organisieren die Heidelberger selbst Fachvorträge mit Ökotrophologen und Präventionsmedizinern.

Zu Gesundheitsaposteln macht sie ihr Engagement auf keinen Fall, versichert Felix: „Die meisten von uns sind Durchschnittsesser. Gesunde Ernährung ist gar nicht so kompliziert.“
 

Beim Bundeskongress der bvmd im Dezember 2018 erhielt Wissenshunger den Ehrenamtspreis „Roter Globus”. In der Mitte: Initiatior Felix Teufel.
Foto: privat