Neben dem Studium ein Festival für Tausende Musik- und Kunstfans organisieren? Klingt utopisch, doch der Verein SNNTG aus Hannover beweist, dass es möglich ist. Ab 26. Juli machen die Ehrenamtlichen zum dritten Mal seit 2017 einen Wald zur Freiluftbühne. Unter den Aktiven sind auch einige Medizinstudierende.
Wir haben mit Katja Wieland gesprochen. Sie studiert im 12. Semester an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und ist Gründungsmitglied von SNNTG. Zurzeit absolviert sie ihr PJ im Kinderkrankenhaus auf der Bult.
Das kann schon mal stressig werden. Gerade die letzten acht Wochen vor dem Festival. Die Organisation ist dann eigentlich ein Vollzeitjob für sich. Die Kombination aus PJ und Vereinsarbeit sorgt regelmäßig dafür, dass mir der Tag viel zu kurz vorkommt. Nach einem langen Tag auf Station warten dann oft noch Telefonate, E-Mails und organisatorische Treffen. Es ist aber auch eine schöne Ablenkung von den teilweise sehr berührenden Schicksalen im Krankenhaus, die manchmal belastend sein können. Da tut es gut, sich mit Musik und Kunst zu beschäftigen.
Angefangen hat alles mit einem Kreis von Kommilitoninnen und Kommilitonen. Es wurden Partys organisiert, die fakultätsübergreifend Studierende zusammengebracht haben. Diese Feiern fanden unter der Woche statt und hießen SNNTG-Partys, um den Gästen ein Wochenendgefühl zu geben. Ein Student aus dem Team hatte dann die Idee, daraus eine Open-Air-Veranstaltung zu machen. Das sprach sich herum und wir hatten bald viele Leute für eine Vereinsgründung zusammen.
In historischen Straßenbahnen durch die Natur, vorbei an alten Industriehallen: Diese Erfahrung können Musik- und Kunstfans nur beim SNNTG-Festival machen. Das Open Air steigt seit 2017 jeden Sommer auf dem Gelände des Hannoverschen Straßenbahnmuseums in Wehmingen bei Hannover. Musikalisch ist für jeden etwas dabei – Indie, Soul, Pop, Elektro, Hip Hop, Jazz, klassische und experimentelle Musik. In den Trams und unter freiem Himmel finden außerdem Fotografie- und Kunstausstellungen, Lesungen und Workshops statt. Die Organisatoren rechnen in diesem Jahr mit rund 3.000 Besuchern – das wäre ein neuer Rekord.
SNNTG Festival: 26. bis 28. Juli 2019 – Hier geht es zur Internetseite.
Eigentlich sind wir als Laien gestartet. Anfangs waren wir mit Aufgaben konfrontiert, mit denen wir uns nicht auskannten, unter anderem mit Förder- und Bauanträgen. Was darf man, was nicht? Welche Aufbauten oder Installationen könnten Gefahren bergen? Wie viele Fluchtwege benötigt man? Zum Glück hatten wir sehr viel Unterstützung, vom Hannoverschen Straßenbahnmuseum zum Beispiel, dem das Gelände gehört. Wir bezahlen ein wenig Miete, dafür erschließen wir das Gelände, schlagen Unkraut und Brombeersträucher weg, räumen Schrott auf und gestalten alte Tramwagen um, die dort stehen. Der Dorfladen am Festivalort belieferte uns die letzten beiden Jahre mit Brötchen und Würstchen und verkaufte Frühstück auf dem Zeltplatz. Bauern aus der Umgebung stellen ihre Felder als Zeltplatz zur Verfügung. Ohne sie wäre unser Festival nicht das, was es heute ist. Das ist auch das Schöne an der Sache, dass es so ein großes gemeinschaftliches Projekt ist. Gerade vor dem ersten Festival war die Zeit trotzdem sehr stressig und aufregend.
Im ersten Jahr, als uns noch niemand kannte, war das noch ganz anders als heute. Über Kontakte und viele Anfragen haben wir aber tolle Leute gefunden, die für wenig Gegenleistung und meist aus ideellen Gründen gespielt haben, da sie unser Projekt toll fanden. Da war sehr viel Wohlwollen dabei. Mittlerweile bekommen wir auch viele Angebote, weil wir schon einen gewissen Bekanntheitsgrad in der Region haben. Wir kooperieren außerdem mit Fotojournalismus- und Musikkursen der Hochschulen in Hannover. Die Studierenden treten bei uns auf oder stellen Arbeiten aus, die teilweise als Studienleistung gewertet werden.
Während des Festivals ist bei mir sehr viel los. Ich bin mitverantwortlich für die Gastronomie und muss die ganze Logistik dazu organisieren. Wir haben zahlreiche freiwillige Helfer, die aber zum Teil keine Erfahrung in der Gastro haben. Ich muss ihnen zeigen, wie man Bier zapft und ein Fass wechselt, muss die Schichten koordinieren, mich um die Kasse kümmern, die externen Caterer betreuen, dafür sorgen, dass die Künstlerinnen und Künstler verpflegt werden. Im ersten Jahr habe ich überhaupt keine Ruhe gehabt, letztes Jahr war es schon lässiger, da hatte ich auch mal ein paar Stunden frei.
Ja, es ist überwältigend, wenn auf einmal 3.000 Besucherinnen und Besucher auf dem Gelände zusammenkommen. Vom Start der Vorbereitungen im Frühjahr bis zum Sommer findet da ein riesiger Wandel statt. Von der Arbeit im Krankenhaus kenne ich so ein projektbezogenes Arbeiten nicht und möchte das nicht missen.
Katja Wieland (27) gehört seit dem ersten Festival 2017 zum Organisationsteam. Dieses Jahr freut sie sich besonders auf die Bands Footprint Project und Make A Move – „und alle die glücklich strahlenden Gesichter“, sagt sie.
Zum Glück fällt das Event meistens in die Semesterferien. Und ich habe die Möglichkeit genutzt, dass man im Modellstudiengang an der MHH Prüfungen relativ unkompliziert aufs nächste Tertial schieben kann. Stressige Lernphasen versuche ich in die Winterhälfte zu legen. Letztes Jahr habe ich drei Wochen früher angefangen, fürs Staatsexamen zu lernen, und vor dem Festival drei Wochen Lernpause gemacht. Ich nehme mein Studium ernst, möchte mir aber auch meine Hobbys erhalten. Jetzt im PJ muss ich sagen: Ein Vollzeitjob ist eine andere Nummer. Als Berufsanfängerin wird das alles sicher noch schwieriger. Da werde ich bestimmt einige Verantwortlichkeiten an andere Mitglieder abgeben.
Solche Gedanken kommen schon mal auf. Aber ich habe Medizin studiert, weil ich diesen Beruf auch toll finde. Das PJ macht Spaß. Gerade habe ich in der Inneren gearbeitet und kann mir das auch später gut vorstellen. Und schließlich kann ich als Medizinerin auch mal eine Zeit lang aussteigen oder meine Arbeitszeit reduzieren, um etwas anderes zu machen.