Auslands-Check: Medizinstudium in Norwegen
Mira Bergmann hat ein Semester in Trondheim verbracht. Wie ist das Studentenleben dort, nur eine halbe Tagesreise vom Polarkreis entfernt? Mitten im eiskalten skandinavischen Winter erlebte die Medizinstudentin aus Hannover einen warmen Empfang.
Für Mira Bergmann war glasklar, wohin sie im vierten Studienjahr für ein Gastsemester gehen würde: nach Norwegen, in die Heimat ihrer Großmutter. Mit dem Land im höchsten Norden verband die Medizinstudentin viele schöne Urlaubserinnerungen aus Kindertagen. Von Omas Muttersprache hatte sie zwar nicht viel behalten, doch für ihr Gaststudium war das kein Hindernis.
Organisation: Do it yourself
„Ungefähr sechs Monate vor dem Auslandssemester habe ich begonnen, alles vorzubereiten. Die Medizinische Hochschule Hannover hat keine Partner-Uni in Norwegen. Deswegen habe ich selbst recherchiert, welche Studienangebote es gibt, und mich dann direkt bei der NTNU (Norwegian University of Science and Technology) beworben. Das lief alles über eine Onlineplattform – Lebenslauf, Leistungs- und Sprachnachweise reichten. Wie andere norwegische Unis bietet auch Trondheim englischsprachige Kurse für Einheimische und Gaststudenten an.“
Studium: Lernen an Fallbeispielen
„Die Lehre fand ich sehr gut. Jeden Donnerstag stand problem based learning auf dem Stundenplan. Wir haben in Gruppen von je acht Studenten konkrete medizinische Fälle aus verschiedenen Fachbereichen diskutiert: Ein Patient hat bestimmte Beschwerden – was könnte die Ursache sein und was ist zu tun? Die Dozenten haben nur geholfen, wenn wir nicht weiterwussten. Jede Gruppe hat sich selbst Themen ausgesucht und Ziele gesetzt. Das war deutlich näher am klinischen Alltag als das, was ich von unserer deutschen Hochschule kenne. In der Uniklinik Trondheim habe ich auch zwei Tage im Kreissaal hospitiert. Campus und Klinik sind sehr modern.“
Mira Bergmann beim Straßenfest zum Nationalfeiertag in Trondheim – stilecht im dicken Norwegerpulli. Mitte Mai war es dort mild genug für ein Eis, aber eben doch kein T-Shirtwetter.
Foto: privat
Gemeinschaft: Jeder kennt dich
„Die Kommilitonen waren freundlich und aufgeschlossen. Zu Semesterbeginn hat mich fast jeder im Hörsaal persönlich begrüßt. Es waren auch nur gut 30 Studenten, die regelmäßig in die Vorlesungen kamen, von etwa 60 Kommilitonen im gesamten Kurs – deutlich weniger als an anderen Erasmus-Orten, von denen ich gehört habe. Die Norweger sprachen gut Englisch, so dass wir uns ohne Probleme unterhalten konnten. Außer mir gab es noch neun andere Gaststudenten im Kurs. Wir waren eine große Gemeinschaft und haben vieles zusammen unternommen, zum Beispiel Skiausflüge, bei denen fast der gesamte Kurs mitgemacht hat.“
Finanzen: Lebe lieber sparsam
„Party machen ist unter Studenten weniger angesagt: In der Kneipe kostet ein Bier schon mal zehn Euro. Meine Lebenshaltungskosten waren in Norwegen ungefähr doppelt so hoch wie zu Hause. Im Monat habe ich etwa 780 Euro gebraucht. Finanziert habe ich das mit Hilfe meiner Eltern und mit einem Promos-Stipendium des DAAD, einmalig 750 Euro. Ich habe wie viele andere Erasmus Studenten in einer Wohnheim-WG gewohnt, die uns schon bei der Bewerbung vom Studentenwerk angeboten wurde. Leider gab es außer ein paar Möbeln nichts: Kein Bettzeug, kein Kochgeschirr. Ich habe dann einen Großeinkauf bei Ikea gemacht – und die Sachen vor meiner Abreise wieder verkauft.“
Reich an Öl und Bildung
Auf der Karte ist Norwegen kaum kleiner als Deutschland, hat aber nur 5,3 Millionen Einwohner – weniger als Berlin und Hamburg zusammen. Das Königreich verdankt seinen Wohlstand vor allem seiner Ölindustrie und gehört laut OECD zu den Ländern der Welt, die am meisten in Bildung investieren. An den staatlichen Hochschulen können auch Ausländer gebührenfrei studieren. Für Mediziner gibt es an den Universitäten Oslo, Bergen und Tromsø englischsprachige Kurse. Zwar ist Norwegen nicht Mitglied der EU, beteiligt sich jedoch am Erasmus-Programm: Besteht eine Hochschulpartnerschaft, lassen sich Auslandssemester relativ leicht organisieren.
Freizeit: Schnee und Sonne satt
„Von Januar bis April lag genug Schnee, um Langlauftouren zu machen. Ich habe mir gleich für das ganze Semester Skier geliehen. Vom Wohnheim aus konnte ich direkt starten und war nach drei Kilometern mitten im Wald. Tageslicht gab es im Winter nur zwischen halb elf und halb drei, aber dafür war es meistens sonnig. Im Juni geht die Sonne fast gar nicht unter. Wenn es wärmer wird, kann man rund um Trondheim super wandern. Über die Fachschaft haben ein paar Kommilitonen einmal eine Hütte im Gebirge gemietet. Seit meiner Zeit in Norwegen bin ich naturverbundener. Anders als früher bin ich heute fast nur noch mit dem Rad unterwegs, auch wenn das Wetter mal nicht so schön ist.“