Promotion: Soll ich oder soll ich nicht?
Wie steht der ärztliche Nachwuchs zum Erwerb des „Dr. med.“? Die aktuelle Umfrage „Heilen ohne Hut?“ des Hartmannbundes hat ergeben, dass 85 Prozent der Medizinstudierenden einen Doktortitel erwerben möchten! Doch lohnt sich der Aufwand?
Die Promotion - eine wertvolle Erfahrung
Dr. med. Annika Ciliax entschied sich während ihres Studiums dafür zu promovieren. „Ich war neugierig darauf, zu erleben, wie man wissenschaftlich arbeitet und neues Wissen schafft“, erklärt die 38-Jährige. Wie die meisten ihrer Kommilitonen machte sie sich im achten Semester ans Werk. Dreieinhalb Jahre war sie mit ihrer Dissertationsarbeit beschäftigt. Im Labor stehen, Patienten rekrutieren, Aktenberge wälzen oder Tests auswerten: Für Annika Ciliax war die Promotion eine wertvolle Erfahrung. "Vor allem habe ich dadurch gelernt, Studien besser zu verstehen und zu bewerten und diese auch kritisch zu hinterfragen." Ihr Ratschlag: "Wenn Studierende bereits wissen, in welchem Bereich sie später arbeiten möchten, dann sollten sie unbedingt in diesem Fachbereich promovieren. Das ist die beste Gelegenheit, das Personal in der Klinik kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen. Viele meiner Kollegen haben durch die Promotionsarbeit ihre erste Stelle bekommen.
Der Doktortitel - ein Karrierekatalysator?
Von den 1.027 Assistenzärzten, die im Rahmen der Hartmannbund-Umfrage zum Thema „Ärztliche Arbeitswelten. Heute. Und Morgen.“ Fragen zur medizinischen Promotion beantwortet haben, gaben rund 60 Prozent an, dass der Doktortitel keinen Nutzen für ihre ärztliche Tätigkeit bringt. Auch Carolin Küster, die bereits seit 13 Jahren als Zahnärztin in Teilzeit arbeitet, ist davon überzeugt, dass ein Doktortitel heute nicht mehr unbedingt notwendig ist. "Früher waren der Doktortitel und das Arztsein untrennbar miteinander verbunden. Heute achten die Patienten nicht mehr darauf", sagt die dreifache Mutter. Dennoch hält Carolin Küster den Doktortitel für einen Türöffner: "Als Zahnarzt auf dem Land mag er unerheblich sein. Wenn du dich aber um eine Stelle in einer begehrten Stadt wie Hamburg oder Berlin bewirbst, dann hast du durch einen Doktortitel auf jeden Fall einen Pluspunkt!"
Guter Arzt nur mit Doktortitel?
Dass man keinen Doktortitel braucht, um ein guter Arzt zu sein, darin sind sich Annika Ciliax und Carolin Küster einig! Viel wichtiger seien Empathie, Persönlichkeit und praktische Erfahrung. Ob mit oder ohne Promotion: Die Patienten sprechen sie ohnehin oft ganz selbstverständlich mit "Frau Doktor" an.
Wann ist der Doktortitel unausweichlich?
Wenn du dir für deine berufliche Zukunft alle Möglichkeiten offen halten möchtest oder du schon genau weißt, dass du später in die Forschung oder als Professor an der Uni lehren möchtest, dann führt kein Weg an einer Promotion vorbei! Ein Muss bleibt er ebenfalls in vielen Kliniken, wenn du dich dort als Chefarzt bewerben möchtest.
Wenn du dich für eine Promotion entschieden hast…
Wer sich für einen Doktortitel entscheidet, braucht oft einen langen Atem - von der Themensuche bis zur Betreuung und Finanzierung. Hier sind die wichtigsten Punkte im Kurzüberblick:
Brennst du für eine Doktorarbeit?
Für welches Fachgebiet brennst du? Das ist die wichtigste Frage, wenn du dich für eine Promotion entscheidest und nach einem geeigneten Dissertationsthema Ausschau hältst. Da du dich intensiv mit deiner Promotionsarbeit auseinandersetzen musst, solltest du dich nicht vorschnell für "irgendein" Thema entscheiden. Jede Uni hat eine Homepage, auf der die formalen Ansprüche genau beschrieben sind. Die Doktorarbeiten lassen sich in vier Kategorien einteilen:
Hier führst du zu einem bestimmten Thema Experimente im Labor durch. Wenn du später in der Forschung arbeiten möchtest oder eine wissenschaftliche Karriere an der Uni anstrebst, ist die experimentelle Arbeit ein Muss.
Dauer: ca. zwei bis drei Jahre
In dieser Kategorie unterscheidet man zwischen prospektiven und retrospektiven Dissertationen.
Bei einer prospektiven klinischen Arbeit erhebst du die dafür notwendigen Daten direkt am Patienten. Wertest du deine Daten aus bereits vorhandenen Unterlagen, zum Beispiel anhand von Patientenakten aus, dann spricht man von einer retrospektiven Studie.
Dauer: Für eine klinische Doktorarbeit benötigst du rund ein bis drei Jahre.
Im Rahmen dieser Dissertation setzt du dich intensiv mithilfe der bestehenden Literatur mit einem Thema aus der Geschichte oder Ethik der Medizin auseinander.
Dauer: Je nach Thema zwischen sechs Monaten und mehreren Jahren.
Du analysierst Daten, die bereits vorab in der Klinik oder in anderen Studien erhoben wurden. Diese vergleichst du mit Daten aus der Literatur.
Dauer: Eine statistische Dissertation kann in einem wesentlich kürzeren Zeitfenster (ca. sechs bis zwölf Monate) abgeschlossen werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die vorhandenen Daten vollständig sind.
Laut Umfrage des Hartmannbundes entscheidet sich die Mehrheit der Medizinstudierenden (57 Prozent) für eine experimentelle Arbeit! 21,1 Prozent der Studienteilnehmer schreiben ihre Dissertation im Rahmen einer klinischen Untersuchung und 21,9 Prozent widmen sich einer theoretischen/statistischen Aufgabe.
Wo finde ich ein Thema für meine Dissertation?
Neben der Recherche auf den Internetseiten der medizinischen Institute lohnt es sich auch, spezielle Doktorandenbörsen im Netz aufzusuchen.
Doktorvater bzw. Doktormutter gesucht!
Hast du dich für ein Thema entschieden, dann gilt es, einen Doktorvater bzw. eine Doktormutter für deine Dissertationsarbeit zu begeistern. Achte bei der Auswahl unbedingt auf die bestehende Betreuungssituation! Immerhin brechen 9 Prozent der Promovierenden ihr Forschungsprojekt aufgrund des schlechten Betreuungsverhältnisses ab! Um dem vorzubeugen, fragst du am besten vorab andere Doktoranden, wie zufrieden sie mit deinem zukünftigen Doktorvater bzw. deiner Doktormutter sind.
Individualpromotion vs. Promotion am Lehrstuhl
Neben der Individualpromotion, d.h. dass die Betreuung über einen von dir ausgewählten Dozenten erfolgt, gibt es die Möglichkeit, sich um ein Stipendium im Rahmen eines strukturierten Promotionsprogramms oder um eine klassische Promotionsstelle an der Uni zu bewerben. Der große Vorteil: Als Stipendiat bzw. wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl bekommst du eine monatliche Vergütung.
Buchtipp:
Hilfreiche Tipps für deine medizinische oder zahnmedizinische Doktorarbeit findest du u.a. in diesem Lehrbuch.