Beobachten, fragen, hinhören

Apotheker
  • Beruf & Karriere
  • 10.01.2018

Die Kunst, gute Gespräche zu führen, spielt eine große Rolle im Alltag von Apothekern. „Leider wissen die meisten Pharmaziestudenten aber nicht, wie sie ein Beratungsgespräch führen und worauf sie achten sollen“, sagt der Kommunikationsexperte Reinhard Homma. An vielen bundesdeutschen Universitäten werden die Pharmaziestudenten nicht auf die Kommunikation mit Kunden vorbereitet. „Erst ab dem dritten Ausbildungsabschnitt ist das Kundengespräch ein Thema“, sagt Dr. Ursula Sellerberg von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Also erst während der praktischen Ausbildung.

Homma will angehende Apotheker schon früher fit machen für den Umgang mit Kunden. Für seine Workshops stellt der Kommunikationstrainer aus Ettlingen einen Mix aus Stimm- und Körperschulung sowie rhetorischen Techniken zusammen. Im Fokus seiner Seminare steht die 7-38-55-Regel: Entwickelt hat sie in den sechziger Jahren der US-Psychologen Albert Mehrabian. Die Formel besagt, dass die Wirkung eines Sprechers zu sieben Prozent vom Inhalt, zu 38 Prozent von der Stimme und zu 55 Prozent vom Körperausdruck bestimmt sei. Im Klartext: Weniger der Inhalt beeinflusst eine erfolgreiche Beratung, sondern Persönlichkeit und Auftritt.

Fachwissen vs Rhetorik

Nach Hommas Erfahrungen steht ein Zeitfenster von rund 250 Millisekunden zur Verfügung, um einen Menschen von sich und seiner Kompetenz zu überzeugen. So stellte das italienische Forscherteam um Tessa Marzi von der Universität Florenz fest, dass das Gehirn mit einer Art speziellem „Werkzeugkoffer“ für das Erfassen von Vertrauenswürdigkeit ausgestattet ist.

Dabei ist die Körpersprache ein entscheidender Faktor. Ob aufrechter Stand oder hängende Schultern – beides sind Signale, die das Gegenüber unbewusst sofort auswertet. „Damit sich der Kunde wahr- und ernst genommen fühlt, sollte jeder Apotheker den Blickkontakt halten und sich seinem Gesprächspartner frontal zuwenden“, empfiehlt der Trainer. Ebenfalls wesentlich für eine gelungene Interaktion ist die Stimme. Je tiefer sie ist, desto vertrauenswürdiger wirkt der Sprecher laut Homma. Um die Stimme kräftigen, rät er dazu, drei bis vier Wochen lang jeden Tag eine Übung zu machen (siehe Kasten).

 

So kannst du deine Stimme stärken

Stell dich aufrecht hin und beide Beine fest auf den Boden. Dann holst du Luft und lässt die Vokale i-e-a-o-u in einem Atemzug ertönen. Halte die Töne so lange wie möglich. Im Anschluss lässt du alle fünf Vokale dreimal hintereinander in einem Zug erklingen. So trainierst du eine deutliche Intonation. Sie unterstützt dabei, auf sein Gegenüber selbstbewusst und souverän zu wirken. 

 

Im Gespräch selbst gilt es außerdem, ein paar Grundregeln zu beachten: „Nicht wer viel erzählt, sondern wer richtig fragt, führt das Gespräch“, so Reinhard Homma. Dabei fordern offene Fragen (Wie kann ich helfen? Was kann ich für Sie tun?) den Gesprächspartner auf, sich mitzuteilen. Der Gefragte fühlt sich partnerschaftlich behandelt. Aktives Hinhören heißt die Devise, um echtes Interesse zu signalisieren und eine emotionale Verbindung herzustellen. Dazu gehört auch, das Gesagte aus der eigenen Perspektive zusammenzufassen. „Sie meinen also, dass...oder Sie sagten eben, dass...“ – wer so formuliert, animiert sein Gegenüber dazu, sich zu öffnen.

Keine Angst vor der Preisfrage

Informationen seien grundsätzlich schon wichtig, meint Homma. „Aber sie benötigen Emotionen, damit sie im Gehirn des Gegenübers nachhaltig verankert werden.“ Aus der Neurowissenschaft ist bekannt, dass die Überzeugungskraft des Beraters und seine Authentizität den Entscheidungsprozess des Kunden stark beeinflussen. Einfach ausgedrückt: Was uns emotional nicht bewegt, das weckt auch nicht unsere Aufmerksamkeit.

Auch die direkte Kommunikation ist besser als ihr Ruf. „Möchten Sie das Produkt haben?“ ist eine Frage, die gerade Berufsanfänger scheuen, weil sie Angst vor einem Nein haben. „Das ist falsch“, so Homma. „Oftmals trauen sich junge Apotheker zum Beispiel nicht, den Preis zu nennen, weil sie befürchten, dass er dem Kunden zu hoch erscheint. Das ist eine klare Fehlinterpretation.“ Fragen nach dem Preis signalisierten in Wirklichkeit ein klares Kaufinteresse.

Wie mit Kunden umzugehen ist, die schon beim Hereinkommen schlechte Laune und Hektik ausstrahlen? In solchen Fällen empfiehlt Homma, sich selbst exakt gegenteilig zu verhalten: „Am besten treten Sie besonders freundlich auf und signalisieren, dass Sie die knappe Zeit des Kunden respektieren. Anstatt auszuholen, liefern Sie die wichtigen Informationen schnell und kommen auf den Punkt.“