Bitte recht mutig!
Spätestens wenn das Studienende naht, tauchen die großen Fragen auf: Wie soll es weitergehen? Lieber aufs Land oder in die Großstadt, will ich mich langfristig selbstständig machen oder fühle ich mich angestellt auf Dauer wohler? Zahnärztinnen, das zeigen Analysen der apoBank in den letzten Jahren immer wieder, sind in punkto Selbstständigkeit skeptischer als ihre männlichen Kollegen. Sie lassen sich im Schnitt später und seltener nieder als Männer, außerdem investieren sie als Existenzgründer meist weniger. Dabei gibt es viele Gründe, gerade als Frau in der Zahnmedizin Mut zur Selbstständigkeit zu haben. Vier erfahrene Kolleginnen erzählen, wie ihr Weg aussah - und an was Berufseinsteigerinnen heute denken sollten.
Die Allrounderin in ländlicher Praxis: Dr. Nadine Seitner-Koretz
Ich habe meine Praxis in der 8000-Einwohner-Stadt Wörrstadt, also in einer eher ländlichen Umgebung. Mich selbst sehe ich als Allrounderin: Zu mir kommen Kinder ebenso wie erwachsene Angstpatienten oft ist die ganze Familie bei mir in Behandlung. Meine eigenen drei Kinder sind quasi in der Praxis groß geworden, zwischendurch haben auch meine Mitarbeiterin sie hier betreut. Als sie noch Babys waren, hat sogar das Stillen hier wunderbar funktioniert. Dafür habe ich einfach Pausen zwischen den Patienten-Behandlungen eingelegt.
Mein Rat an junge Kolleginnen, die gerade mit dem Studium fertig werden und über eine spätere Selbstständigkeit nachdenken: Habt Mut! Mit der Erfahrung werdet ihr auch immer schneller und sicherer im Zahnarzt-Beruf. Wichtig ist auch, sich schon früh die richtigen Partner zu suchen. Möglichst Fachleute, die sich in der Branche auskennen und zum Beispiel Know-how in Finanz- Steuer- und Abrechnungsfragen oder Zahntechnik mitbringen. Dann könnt ihr euch auf die ärztlichen Aufgaben konzentrieren und habt auch noch genug Zeit für Privates. Und vernachlässigt bloß die Buchhaltung nicht: Die ist bei vielen zwar nicht beliebt, aber als Chefin muss man da einfach den Überblick behalten.
Als Chance sollte man auch die oft gefürchteten Bewertungsplattformen wie Jameda sehen. Wer regelmäßig einen Blick darauf wirft, was Patienten hier schreiben, kann sich auch immer wieder kritisch hinterfragen und verbessern. Ansonsten ist mein wichtigster Rat: Seid klar und selbstbewusst! Das gilt auch für die Selbstzahlerleistungen, die man anbietet. Da gibt es einen Schlüssel, an den ich mich halte – und fertig.
Die Großdenkerin in der Stadt: Dr. Denisse Ohanian
Ich komme ursprünglich aus Rumänien, heute habe ich eine großzügige Praxis mitten im Herzen von Düsseldorf. Vor zwei Jahren haben mein Mann und ich noch eine zweite eröffnet. Meine Spezialgebiete sind Implantologie, Funktionsdiagnostik und crandimandibuläre Dysfunktionen.
Warum ich den Weg in die Selbstständigkeit gewagt habe? Weil ich selbst bestimmen wollte, welche Materialien ich verwende, wie ich meine Praxis einrichte und wie ich sie führe. Außerdem wollte ich damals eigenständig entscheiden, wann ich meinen Sohn von der Kita abhole. Als Selbständige habe ich einfach mehr Freiheiten, um Beruf und Familie nach meinen Vorstellungen zu vereinbaren.
Meine Empfehlungen an Einsteigerinnen in den Zahnarztberuf: Macht weiterhin regelmäßig Fortbildungen, damit ihr fachlich nicht stehenbleibt. Und denkt daran, Partner im Job immer auf Augenhöhe zu behandeln. Vor Zahntechnikern zum Beispiel habe ich wirklich Respekt, ihre Arbeit ist extrem wichtig für uns Zahnärzte. Was mir persönlich noch am Herzen liegt: Ich glaube fest daran, dass man sich nicht selbst klein machen soll. Denkt groß, verwirklicht eure Träume – dann kommen auch die Patienten, die zu euch passen.
Die Engagierte im sozialen Brennpunkt: Dr. Rachida Siahi-Benlarbi
Meine Praxis in Gießen liegt in einem eher schwierigen Viertel, trotzdem gehe ich jeden Tag gerne dorthin. Spezialisiert habe ich mich auf Kinder- und Jugendzahnheilkunde. Mein Patientenkreis ist bunt gemischt, da sind ganz unterschiedliche Lebenssituationen und kulturelle Hintergründe dabei. Ich lege Wert darauf, jedem mit klaren Worten, ehrlichem Interesse und ohne Berührungsängste begegnen. Damit bin ich bislang immer gut gefahren.
Selbstständig gemacht habe ich mich, weil es mir einfach gefällt, meine eigene Chefin zu sein und eine Praxis nach meinen Vorstellungen zu gestalten und zu führen. Außerdem sind Beruf und Familie gut kombinierbar, ich kann den Praxisalltag genauso ausrichten, wie es zu meinem Leben passt. Für mich ist das besonders wichtig, weil ich ein behindertes Kind habe. Das ist eine große Herausforderung, aber gleichzeitig ein Glück, denn man blickt anders auf die Welt. Was ich jungen Kolleginnen raten würde? Hört auf euer Bauchgefühl bei euren Entscheidungen, ob es nun darum geht, eine Gemeinschaftspraxis zu gründen, passende Praxisräume zu suchen oder Mitarbeiter einzustellen.
Die Kooperative in der Gemeinschaftspraxis: Dr. Inga Neumann
Ich bin meine eigene Chefin, vor meinem Zahnmedizinstudium habe ich ich eine Ausbildung zur Zahnmedizinischen Fachangestellten absolviert. Heute arbeite ich in einer Gemeinschaftspraxis in Hannover zusammen mit Kollegen. Für mich ist das ideal: Wir können uns gegenseitig Tipps geben und uns über Diagnosen austauschen, außerdem springen wir im Notfall füreinander ein. Man kann ja nicht alles gleich gut beherrschen, deshalb weiß ich es sehr zu schätzen, dass ich mich in unserer Praxis auf meine Kerngebiete Endodontie und Kinderzahnheilkunde konzentrieren kann.
Worauf man achten sollte, wenn man in eine Gemeinschaftspraxis einsteigt: Jedes Team besteht aus unterschiedlichen Charakteren. Damit das Miteinander gelingt, sollte jeder die Arbeit der anderen wertschätzen und immer das gemeinsame große Ziel von Augen haben, das Wohlbefinden der Patienten. Wozu ich außerdem raten kann: Netzwerken! Mir persönlich haben gute Kontakte immer weitergeholfen, beruflich ebenso wie privat.
ladies dental talk career
Du bist Studentin der Zahnmedizin - und würdest gerne mal live mit erfahrenen Kolleginnen ins Gespräch kommen? Die Unternehmerin und EU-Unternehmensbotschafterin Dr. Karin Uphoff hat mit ladies dental talk ein bundesweites Netzwerk für Zahnärztinnen gegründet, das auch Studentinnen offensteht. Speziell an sie richtet sich das Netzwerk mit den ladies dental talk career-Abenden, die regelmäßig in Kooperation mit Universitäten stattfinden. Was kommt nach der Uni auf mich zu? Wie sieht die unternehmerische Seite des Berufs aus? Zu solchen Fragen können sich Studentinnen bei diesen Veranstaltungen mit im Berufsleben stehenden Zahnärztinnen austauschen.
Weitere Infos, aktuelle Terminübersichten und Anmeldung: www.ladies-dental-talk.de/dental-talk-career/