6 Tipps für gutes Teamwork mit der Pflege

  • Beruf & Karriere
  • 08.07.2021

Du studierst Medizin und machst bald deine ersten Schritte in einer Klinik? Dort wirst du gestandenen Profis begegnen, die genau wissen, was auf der Station los ist: Pflegekräfte machen jungen Ärztinnen und Ärzten das Leben leichter – sofern die Teamarbeit gut funktioniert. Uwe Krämer, Leiter der Schule für Pflegeberufe am Universitätsklinikum Tübingen, hat für Neulinge ein paar Tipps.
 

1. Unsicherheit ist keine Schande

„Ich habe viele Medizinerinnen und Mediziner in ihrer Assistenzzeit begleitet, und mir war immer wichtig, zu sagen: Frag uns. Du hast toll studiert, du hast deine Expertise, aber wir Pflegende auch. Unsicherheiten hat jeder Mensch in einem neuen Tätigkeitsfeld. Ärztinnen und Ärzten bricht kein Zacken aus der Krone, wenn sie das zugeben, im Gegenteil, dadurch steigt unsere Wertschätzung sogar. Ich habe jahrelang sehr gut mit einem Chefarzt in der Onkologie zusammengearbeitet. Der hatte eine coole Grundhaltung: keine Visite ohne Pflegeperson. Nicht weil ihm dann jemand die Fieberkurve trägt – das hat man damals noch – sondern weil die Pflege viel mehr Informationen hat. Wir betreuen Kranke 24 Stunden am Tag. Wir wissen genau, wie die Medikamente vertragen werden und was die Leute umtreibt.“

 

Uwe Krämer leitet das Zentrum für Gesundheitsfachberufe und die Schule für Pflegeberufe am Universitätsklinikum Tübingen; Foto: Verena Müller
 


2. Um ein Tutorial bitten

„Es gibt verschiedene ärztliche Tätigkeiten, die regelhaft an die Pflege delegiert werden. Pflegepersonen lernen von der Pike auf, wie man Injektionen setzt, eine Magensonde oder einen transurethralen Katheter legt. Das machen Ärztinnen und Ärzte normalerweise nicht, aber wir finden es gut, wenn sie solche Dinge nicht nur anordnen, sondern auch von uns lernen möchten. Ich erinnere mich an zwei junge Ärzte, die mich baten, ihnen eine intramuskuläre Injektion nach Hochstetter vorzuführen. Dadurch sind ihre Sympathiewerte gleich um vier Etagen gestiegen.“


3. Geduld in Stress-Situationen

„Es kommt gut an, uns zu fragen: ‚Ist gerade Zeit für mich?‘ Ein Arzt oder eine Ärztin sollte nicht erwarten, dass für sie immer Zeit sein sollte. Vor allem dann nicht, wenn es heftig zugeht und die Pflegekräfte sehr gestresst sind. Wenn ein Chefarzt seine Visite notfalls um eine halbe Stunde verschiebt, haben alle etwas davon. Dann kann man die Visite in Ruhe machen. Sich untereinander abzusprechen, ist einer der Schlüsselpunkte, um die Pflege auf seiner Seite zu haben.“
 

Verzweifelt gesucht und oft überlastet

Mit rund einer Million Beschäftigten laut Statistischem Bundesamt gehören Gesundheits- und Krankenpflegekräfte zu den größten Berufsgruppen in Deutschland. Ihre Zahl ist damit etwa fünfmal so hoch wie die der Ärztinnen und Ärzte, die in Kliniken tätig sind. Viele Krankenhäuser haben jedoch große Schwierigkeiten, Pflegestellen zu besetzen, vor allem außerhalb der Ballungsräume und in Kliniken der Grund- und Regelversorgung. Statistisch gesehen kamen 2018 auf 100 ausgeschriebene Stellen nur 37 arbeitssuchende Krankenpflegekräfte. Dieser Notstand könnte sich weiter verschärfen: Wegen der extremen Arbeitsbelastung während der Coronakrise erwarten Fachleute eine Kündigungswelle in der Krankenpflege.

4. Respekt zeigen und einfordern

„Auf den Stationen arbeiten überwiegend erfahrene Pflegekräfte. Man kann mit 20 Jahren eine Pflegeausbildung abschließen und hat dann schon einiges an Berufserfahrung in einem Alter, in dem Ärztinnen und Ärzte gerade erst in den Job einsteigen. Gegenüber einer 55-jährigen Pflegekraft ist das Erfahrungsgefälle natürlich noch viel größer. Es kann passieren, dass Neulinge das zu spüren bekommen, nach dem Motto: ‚Von so einem Milchgesicht brauche ich mir nichts sagen zu lassen!‘ Wenn ihr den Eindruck habt, dass man euch nicht ernst nimmt oder unfreundlich ist, sprecht die Person an: ‚Habe ich dich auf dem falschen Fuß erwischt? Gibt es ein Problem, das wir aus der Welt schaffen können?‘ Für so ein klärendes Gespräch unter vier Augen braucht man nur ein paar Minuten, und die findet man, auch wenn es mal hektisch ist.“
 

5. Konflikte nicht gleich eskalieren

„Wenn ihr negatives Feedback habt, setzt es bitte in den Kontext. Es sollte um die Sache und nicht um die Person gehen. Was ist schiefgegangen? Was wäre eure Erwartung gewesen, verbunden mit der Frage, warum es anders gelaufen ist? Kritik, die konstruktiv und nachfragend ist, wird besser angenommen. Ich kann nur davon abraten, gleich die Vorgesetzten einzubeziehen. Was viele nicht wissen: Die Stationsleitung entspricht hierarchisch der Oberärztin oder dem Oberarzt. An diese Ebene sollte man sich nur bei Problemen wenden, die auf Arbeitsebene nicht gelöst werden können.“
 

6. Smalltalk macht Laune

„Für ein gutes Miteinander im Alltag ist es wichtig, dass wir die Menschen um uns herum mit verbalen Gesten wahrnehmen. Das klingt hochtrabend, gemeint ist aber etwas ganz Einfaches: freundlich zu grüßen zum Beispiel und ein paar persönliche Worte zu wechseln. ‚Ich habe gehört, du warst klettern.‘ ‚Wie geht’s deinen Kindern, die hatten doch die Grippe?‘ … So ein bisschen Smalltalk hat eine große Wirkung und funktioniert auch im Nebenherlaufen – da kommt es im Alltag mehr auf den Willen an als auf die verfügbare Zeit.“