Von der Uni ins Startup
Bis zu 600.000 Patienten ziehen sich in Deutschland jährlich eine Krankenhausinfektion zu, so die Statistik des Bundesgesundheitsministeriums. Um die Hygiene zu verbessern, müssen Kliniken jeden Arbeitsablauf unter die Lupe nehmen.
Ein Detail wird dabei gern vernachlässigt, wie Konstantin Altrichter in seinem PJ feststellte: Venenstauer aus Kunstfaser und Baumwolle werden an manchen Häusern mit Desinfektionsspray benetzt und zum Trocknen aufgehängt. „Ist der Alkohol verdunstet, bieten die feuchten Bänder einen Nährboden für Keime“, erklärt der junge Mediziner aus Rostock. Bessere Desinfektionsmethoden, etwa durch Hitze, seien jedoch zeitaufwändig und unpraktisch. Auch Wegwerf-Produkte kommen selten zum Einsatz, da sie viel kosten.
Anfang 2017 entschloss sich Altrichter deshalb gemeinsam mit zwei Schulfreunden, dem Wirtschaftsingenieur Karl Hartmann und dem Physiker Paul Lückemann, einen besseren Venenstauer zu entwickeln. Da hatte er gerade sein Examen an der Universität Rostock gemacht und schrieb an seiner Doktorarbeit am dortigen Institut für Medizinische Biochemie und Molekularbiologie. Motiviert hat ihn der Wunsch, etwas Gutes zu bewirken – und die Lust, seinen Erfindergeist auszuleben. Dass man als Arzt keine Scheu vor dem Unternehmerdasein haben muss, weiß der 26-Jährige von einem Vorbild aus seiner Familie: Sein Vater, selbst Mediziner, ist Gründer einer Biotechnologie-Firma. „Er war trotzdem erst nicht begeistert, dass sein Sohn noch vor dem Berufseinstieg eine Firma startet“, gibt Altrichter zu. „Ich kann mir aber vorstellen, in ein paar Jahren wieder ärztlich zu arbeiten, wenn wir das Geschäft zum Laufen gebracht haben.“
Was man selbst nicht kann, können andere
Bekanntlich dauert es eine Weile, bis ein Startup Geld abwirft. In der Anfangszeit wollten die drei Partner finanziell dennoch auf eigenen Beinen stehen. Sie sahen sich nach Fördermitteln um und nahmen an Ideenwettbewerben teil – mit Erfolg. Aus den Preisgeldern bezahlten sie ein Gründercoaching. Im September 2017 erhielten die Jungunternehmer über die Universität Rostock die entscheidende Finanzspritze: ein Stipendium aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds, das für ein Jahr ihren Unterhalt abdeckt und ihnen 30.000 Euro für Sachmittel zugesteht. Zusätzlich gingen die Partner an ihre eigenen Reserven, um etwa die 12.500 Euro Mindesteinlage für die Gründung einer GmbH zusammenzubringen.
Das nötige Geld für den Start war also da. Aber wie entwickelt man ein Medizinprodukt, wenn man das nicht gelernt hat? „Ein großer Vorteil ist, dass wir von der Hochschule auch fachlich betreut werden, insbesondere bei mikrobiologischen Tests und materialtechnischen Fragen“, so Co-Gründer Paul Lückemann. Die ersten Designentwürfe für das Produkt erstellten die Jungunternehmer selbst. Später engagierten sie eine Konstruktionsfirma, die alle Komponenten so überarbeitete, dass eine Fabrik den Venenstauer auch in Serie herstellen kann.
Klinken putzen bei Krankenhäusern
Das Produkt trägt den Namen DaisyGrip, ein Spiel mit den Worten „Desinfektion“ und „Griff“. Labortests am Prototyp zeigen: Auf den glatten Oberflächen aus Kunststoff lassen sich Keime deutlicher besser bekämpfen als auf den üblichen Geweben. Die Produktqualität überzeugte in den Feldtests, und im März wurde daisygrip als Medizinprodukt zugelassen. Ab September soll die Neuheit in den bundesweiten Vertrieb gehen. Ums Klinkenputzen bei den Kliniken kümmert sich der dritte Mitgründer Karl Hartmann. Er führt bereits Gespräche mit Einkäufern in Mecklenburg-Vorpommern und trifft auf hohes Interesse. „Unsere Lösung ist etwas teurer als die herkömmlichen Produkte“, merkt er an. „Aber es lohnt sich für die Kliniken, da Infektionen ein enorm hoher Kostenfaktor sind.“
Die Firmenpartner sind zuversichtlich und relativ gelassen. Natürlich gibt es Nächte, in denen sie nicht sehr gut schlafen, etwa vor wichtigen Terminen. Noch aufreibender wird es für sie werden, wenn die Firma mit der Hilfe eines Risikokapitalgebers an den Markt geht, so Konstantin Altrichter: „Dann werden wir unsere Taktzahl noch einmal erhöhen, um die Ware schnell in die Krankenhäuser zu bringen.“ Finanziell bringt ein Preis des Landes Mecklenburg-Vorpommern die Gründer schon jetzt ein großes Stück weiter. Das Team wurde kürzlich beim Ideenwettbewerb Gesundheitswirtschaft 2018 ausgezeichnet und erhält einen Zuschuss in Höhe von 200.000 Euro.
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